Förderbedarf

Begabtenförderung

Informationen bzgl. Förderung begabter Kinder in der Schweiz finden Sie auf der Website der Stiftung für hochbegabte Kinder und auf der Website Netzwerk Begabungsförderung

Der Begriff Begabtenförderung umschreibt Massnahmen zur Förderung von Kindern und jungen Menschen mit überdurchschnittlichen Leistungspotenzialen, die über den normativen Regelunterricht hinausgehen. Dabei umfasst Begabtenförderung alle Bildungsdomänen; die schulischen kognitiven Fächer, aber auch Begabungsdomänen, die im schulischen Unterricht oft nur eine untergeordnete Rolle spielen (z. B. körperlich-sportliche, künstlerisch-gestaltende, musikalische, soziale Begabung) oder Interessengebiete, die ausserhalb der schulischen Lehrpläne liegen. Beispiele zur Begabtenförderung sind:

  • Compacting des Basislehrplans zur Straffung unnötiger Trainings- und Übungszeit,
  • Unterrichtsergänzendes Enrichment und Pull-out-Programme zur individuellen Förderung spezifischer Begabungen in individuellen Projekten,
  • Akzeleration als Überspringen von Lerneinheiten oder Zulassung zu höheren Leistungskursen, Klassen oder zur vorzeitigen Hochschulbelegung im Interessengebiet,
  • Mentoring als individuelle Förderung durch eine qualifizierte Fachperson,
  • ergänzende ausserschulischen Förderaktivitäten (Vereine, Angebote, Wettbewerbe, Camps u.Ä.).

Beratung durch Fachpersonen: Stiftung für hochbegabte Kinder jeweils Mittwochs, 14 bis 17 Uhr unter 061 411 10 11

https://www.hochbegabt.ch/anlaufstelle/

Eine sehr hilfreiche Umsetzungshilfe ist die Broschüre der Volksschulbildung Luzern "Begabte Kinder an unseren Volksschulen"

Akzeleration

Akzeleration: schneller durch das schulische System; es geschieht sehr viel seltener als Enrichment und ist nicht immer notwendig oder erwünscht, aber deutlich wirksamer. Die Forschung belegt seit Jahrzehnten, dass die Auswirkungen positiv sind, sowohl auf die intellektuelle als auch die emotional-soziale Entwicklung. Voraussetzung ist, dass es richtig vorbereitet und begleitet wird.

Dr. Päd. Annette Heinbokel http://www.ieua.de/ Heinbokel, Annette (2016). Eine Klasse überspringen – sonst wäre ich fipsig geworden, Münster, LIT Verlag

Die 20 wichtigsten Punkte "Warum sollten hochbegabte Kinder Klassen überspringen?" (Link gesamte Dossier)

  • Akzeleration ist die wirksamste Intervention im Lehrplan besonders begabter Kinder.
  • Für begabte Schüler zeigt Akzeleration eine langfristige positive Wirkung in akademischer wie sozialer Hinsicht.
  • Akzeleration gibt es praktisch zum Nulltarif.
  • Begabte Kinder sind in sozialer wie emotionaler Hinsicht gewöhnlich reifer als ihre Altersgenossen. Akzeleration bringt viele begabte Schüler mit Klassenkameraden zusammen, die auf Grund ihrer persönlichen Reife besser zusammenpassen.
  • Wenn begabten Schülern Unterricht geboten wird, der für ihre Altersgenossen entwickelt wurde, dann langweilen sie sich oft, werden unzufrieden und verlieren die Lust am Lernen.
  • Tests, vor allem Tests über dem Klassenniveau (die für ältere Schüler entwickelt wurden), sind ein äußerst wirksamer Weg, um die Schüler ausfindig zu machen, die von einer Akzeleration profitieren würden.
  • Es gibt das Beweismaterial und die Mechanismen, die Schulen bei guten Entscheidungen über Akzeleration helfen können, damit sie zu einer risikoarmen und erfolgreichen Intervention für qualifizierte Schüler wird. The Iowa Acceleration Scale (Iowa Akzelerationsskala) ist ein bewährtes, wirksames Instrument, das Schulen bei der Entscheidung zur jahrgangsbasieretn Akzeleration helfen kann.
  • Die 18 Arten von Akzeleration, die begabten Schülern zur Verfügung stehen, lassen sich in zwei Hauptkategorien gliedern: jahrgangsbasierte Akzeleration, nach der die Schüler ihre Schullaufbahn schneller durchlaufen, sowie fachbezogene Akzeleration, die fachliche Inhalte früher als gewöhnlich einführt.
  • Eine vorgezogene Einschulung ist in akademischer und sozialer Hinsicht eine ausgezeichnete Möglichkeit für bestimmte begabte Schüler. Hoch begabte Kleinkinder, die früh eingeschult werden, fügen sich im Allgemeinen gut in die ältere Klassengemeinschaft ein.
  • Begabte Schüler, die frühzeitig eine Unversität oder ein College besuchen, erleben sowohl kurzfristigen als auch langfristigen akademischen Erfolg, was zu langfristigem beruflichem Erfolg und persönlicher Zufriedenheit führt.
  • Es gibt viele Alternativen zum frühzeitigen Studium für Oberschüler, die lieber unter ihren Altersgenossen bleiben wollen. Dazu gehört der parallele Besuch von High School und College, Fernstudium sowie Ferienseminare. Advanced Placement (AP) ist die beste weiter reichende Möglichkeit für begabte Schüler, die bereits in der High School Kurse auf College-Niveau belegen wollen.
  • Nur sehr wenige Collegestudenten mit frühzeitigem Studium haben soziale oder emotionale Schwierigkeiten. Wenn sie denn auftreten, sind diese Schwierigkeiten gewöhnlich von kurzer Dauer und Teil des Eingewöhnungsprozesses.
  • Für hochbegabte Schüler ist eine weitreichende Akzeleration (von zwei oder mehr Jahren) akademisch und sozial wirkungsvoll.
  • Trotz umfangreicher Forschungsergebnisse, die den Erfolg und die Machbarkeit der Akzeleration belegen, stehen ihr viele Erzieher eher negativ gegenüber.
  • Um eine grundlegende Veränderung in der Auffassung von Bildungs-Akzeleration in Amerika zu erreichen, müssen wir sämtliche Motoren in Bewegung setzen: Gesetzgebung, Gerichte,Verwaltungsvorschriften sowie professionelle Maßnahmen.
  • Die wirksame Implementierung von schulverkürzenden Optionen für begabte Schüler mit Behinderungen ist zeit- und kostenaufwendig.
  • Es ist wichtig, dass Eltern voll in den Entscheidungsprozess über die Akzeleration ihres Kindes eingebunden werden.
  • Die wenigen Probleme, die im Zusammenhang mit Akzeleration aufgetreten sind, sind hauptsächlch auf unvollständige oder schlechte Planung zurückzuführen.
  • Bildungsgleichheit ist nicht dasselbe wie Unterschiedslosigkeit. Gleichheit respektiert individuelle Unterschiede bei der Lernbereitschaft und erkennt den Wert eines jeden Schülers an.
  • Die wichtigste Frage für Erzieher ist nicht ob ein begabter Schüler Akzeleration bekommen soll, sondern wie.

Enrichment

Schulisches Enrichment ist wichtig, um bei hochbegabten Kindern Langeweile, Unterforderung und Minderleistung zu verhindern. Enrichment kann eine Erweiterung des Schulstoffes sein, aber auch über den Lehrplan hinausgehen. Die Schüler/innen sollen sich mit einem Schulthema intensiv auseinandersetzen oder sich mit einem völlig neuen Thema vertieft befassen und sich dabei fachliches Wissen und neue Denk- und Lernmethoden aneignen können.

Mögliche Massnahmen von Seiten der Schule wären:

  • Vertiefung des Unterrichtsstoffes über das Curriculum hinaus
  • Fachunterricht in höheren Klassen
  • Begabtenwerkstätten
  • Schülerwettbewerbe
  • Individualisierter Unterricht

Einige Kantone bieten für besonders begabte Schüler Förderprogramme an, auf die hochbegabte Kinder einen Anspruch haben:

Luzern/ Bern/ Zürich/ Kanton Nidwalden/ Kanton Obwalden/ Kanton Aargau/ Kanton Solothurn/ Kanton St. Gallen

Ausserschulisches Enrichment wird meist privat von den Eltern entsprechend der Interessen des Kindes organisiert und finanziert. Dies kann im sportlichen, musischen, intellektuellen Bereich erfolgen, aber auch in speziell für Hochbegabte konzipierten Angeboten wie beispielsweise den Kursen der Kinderuni des EHK oder anderer Hochbegabteninstitutionen, wie auch mit Mentoraten.

Compacting

Begabte Kinder und Jugendliche arbeiten nicht zwangsläufig schneller als ihre Klassenkameraden; sie lernen aber schneller und brauchen oft weniger Einführungs- und Übungszeit als andere. Unter Curriculum Compacting versteht man die Straffung und Intensivierung des Basislehrplans nach individuellen Fähigkeiten. Dadurch soll die Wiederholung von bereits gelerntem Stoff vermieden werden. Wenn Lernende etwas schon beherrschen, kann die unnötige Übungszeit entweder zur ergänzenden Vertiefung des Themas oder für alternative Lerninhalte (persönliche Projekte, Enrichmentangebote, o.a.) eingesetzt werden. Compacting erhöht die individuelle Herausforderung innerhalb des regulären Unterrichts und vermeidet sogenannte «Warteräume» bis die Mitschüler und Mitschülerinnen die Klassenlernziele erreichen. Selbstorganisiertes Lernen mit Lernkontrollen, die zu unterschiedlichen Zeiten (ggf. auch mehrfach) durchgeführt werden können und Lernen mit Erweiterten Lernformen mit Teil-Kompetenznachweisen eignen sich didaktisch zur Lehrplanstraffung ebenso wie Vor- oder Zwischentests, in denen die Lernenden zeigen, dass sie einen Inhalt bereits beherrschen (s. Kap. 5)." aus http://www.begabungsfoerderung-schweiz.ch/materialien-f-r-lehr-und-fachpersonen/glossar

Mentorate

Mentorate sind individuelle Fördermöglichkeiten für ein Kind. Sie helfen hochbegabten Kindern sich gezielt intensiv mit ihren Stärken auseinanderzusetzen. Ein Mentorat kann über die Schule organisiert werden oder privat. Ein Mentor muss nicht selber hochbegabt sein, aber er sollte die Neugierde an einem Thema erhalten und fördern können und die Freude am Lernen zu vermitteln. Viele hochbegabte Erwachsene engagieren sich proaktiv in der Begabtenförderung. z.B. in Vereinen und Fachgruppen.


Wie finde ich einen Mentor für mein Kind?

1) feststellen was das Kind interessiert
2) überlegen wer könnte da in Frage kommen
3) potenzielle Mentoren ansprechen. (Ob ein pensionierter Lehrer, eine ausländische Studentin oder ein Universitätsdozent, wenn die Chemie zwischen dem Mentor und dem Kind passt, dann kann ein Mentorat vieles auffangen. Ausserdem hilft Mentoring, wenn ein Kind in einem Drehtürmodell einen Teil der Fächer in der Schule bereits abgeschlossen hat und diese vertiefen möchte.)

s. dazu:
"Mentoring beschwingt. Grundlagen und Ideen zur Umsetzung in der Begabtenförderung"
1. Auflage 2019, Zürich
Hrsg. Stiftung für hochbegabte Kinder
ISBN 978-3-033-07463-7