Hochbegabung

Definition

Was versteht man unter Hochbegabung?

In der aktuellen Forschung existiert keine einheitliche Definition von Hochbegabung. Gemeinsam ist allen verschiedenen Modellen jedoch das Vorliegen einer sehr weit überdurchschnittlichen intellektuellen Leistungsfähigkeit. Neben der hohen allgemeinen Intelligenz verfügen Hochbegabte über jeweils spezifische Intelligenzfaktoren, die in unterschiedlichem Ausmaß verfügbar sein können, z.B. verbale, räumlich-abstrakte oder mathematische Faktoren. (Zitiert nach: Tübinger Institut für Hochbegabung)

Potenzial

Begabung ist erstens das Potenzial eines Individuums zu ungewöhnlicher oder auffälliger Leistung. Sie ist darüber hinaus zweitens ein Interaktionsprodukt, in dem das individuelle Potenzial mit der sozialen Umgebung in Wechselwirkung steht.
(nach Margrit Stamm, in: Trendbericht Begabungsförderung, 1999, S. 10). Infos zum Thema finden Sie unter anderen auf der Seite der Stiftung für hochbegabte Kinder Schweiz

«Sohn (damals 2-jährig) kombinierte: „Opa säit Maus. Mama säit Muus.“ Also schlussfolgerte er, dass seine Grosseltern „Apfelmaus“ essen.»

 

Gifted

Schüler mit Begabungen und Talenten erbringen in einem oder mehreren Bereichen höhere Leistungen – oder haben die Fähigkeit, diese zu erbringen – als andere Schüler desselben Alters, derselben Erfahrung und desselben Umfelds. Sie benötigen Modifikationen ihrer pädagogischen Erfahrung(en), um zu lernen und ihr Potenzial auszuschöpfen. Schüler mit Begabungen und Talenten kommen aus allen Populationen sowie aus allen wirtschaftlichen Schichten.
Benötigen ausreichenden Zugang zu angemessenen Lernmöglichkeiten, um ihr Potenzial auszuschöpfen.
Können Lern- und Verarbeitungsstörungen haben, die spezielle Interventionen und Anpassungen erfordern.
Brauchen Unterstützung und Anleitung, um sich sozial und emotional sowie in ihren Talentbereichen zu entwickeln.

Weitere Infos

Missverständnisse

Wir möchten dafür sorgen, dass Missverständnisse bezüglich Hochbegabung beseitigt werden

Was man über Hochbegabung wissen sollte:

  1. Hohes Potenzial heisst nicht zwingend hohe Leistung in allen Bereichen
  2. Hohe Begabung muss sich nicht in guten Noten zeigen (Hochbegabte sind nicht zwingend Hochleister)
  3. Hochbegabte benötigen besondere Förderung
  4. Begabungs- und Begabtenförderung ist nicht nur die Aufgabe von Fachpersonen, sondern gehört zum «Grundauftrag der Klassenlehrperson in Zusammenarbeit mit der SHP und der Fachperson für Begabungsförderung»
  5. Begabtenförderung ist keine Eliteförderung
  6. Hohe Begabung führt nicht automatisch zu langfristigen Erfolg (s. Positionspapier LCH).

«Ebensowenig lassen sich Defizite bei sozial-emotionalen Kompetenzen Hochbegabter nachweisen. Aber «es lassen sich Risikofaktoren für eine asynchrone Entwicklung finden und wissenschaftlich belegen. Verhaltensbesonderheiten/-änderungen können auf eine mangelnde Bedürfnisbefriedigung hinweisen und unterstützende Massnahmen bedingen. Die Frage der individuellen Passung von Massnahmen ist wichtig. Die Umsetzung der unterstützendenden Massnahmen sollte nicht hinausgezögert werden.»
aus HOCHBEGABUNG UND SOZIAL-EMOTIONALE KOMPETENZEN Dr. phil. Marianne Röthlisberger © dbf entwicklungspsychologische praxis für diagnostik, beratung, förderung

IQ-Test

Wer sollte testen und wie sollte eine verlässliche Intelligenzdiagnostik aussehen? (Text Karg Stiftung)

Ein Test kann noch so gut sein, entscheidend für die Diagnostik ist eine sachgerechte Durchführung und angemessene Interpretation der Ergebnisse. Hierfür sind umfassende psychodiagnostische Kenntnisse und Hintergrundwissen zu Theorie und Forschungsbefunden erforderlich. Daher sollten Tests nur von Psychologinnen und Psychologen mit Diplom oder Master-Abschluss oder speziell qualifizierten Sonderpädagoginnen und -pädagogen durchgeführt werden. Diese Personen sollten darüber hiaus Erfahrungen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen haben sowie Erfahrung in der Testung besonders intelligenter Kinder. Am besten ist es, wenn zwei Intelligenztest an unterschiedlichen Tagen durchgeführt werden. Voraussetzung der Testdiagnostik ist, dass das Kind motiviert und in der Lage ist, die Testaufgaben so gut es kann zu bearbeiten. Zudem sollte ein Vorgespräch zur Entwicklung des Kindes und zur konkreten diagnostischen Fragestellung stattfinden, damit die Testverfahren passend dazu ausgewählt werden können. Je nach Möglickeit sollten zusätzliche Daten von den Eltern und auch von der Schule erhoben werden, um ein umfassendes Bild von dem Kind zu gewinnen. Neben IQ-Werten oder anderen Normwerten sollten bei der Ergebnisrückmeldung sogenannte «Vertrauensintervalle» zurückgemeldet werden. Denn jedem Messinstrument ist ein gewisses Mass an Ungenauigkeit zu unterstellen – so auch den Intelligenztest-. Diese Messungsgenauigkeit lässt sich bei Intelligenztests jedoch klar abschätzen und dies berücksichtigen die Vertrauensintervalle. Sie enthalten mit einer bestimmten Sicherheit von zumeist 95 oder 99 Prozent den tatsächlichen IQ des getesteten Kindes. Für einen gemessenen IQ von 135 könnte das Vertrauensintervall zum Beispiel bei IQ 128 bis IQ 142 liegen. Einen Überblick über die wichtigsten Intelligenztestverfahren mit jeweiliger Besprechung für den Einsatz in der Hochbegabungsdiagnostik bietet das FAchportal Hochbegabung der Karg-Stiftung: https://www.fachportal-hochbegabung.de/intelligenz-tests/

Videos:

 

Tabu

 

Nach wie vor ist hohe Intelligenz im Gegensatz zur sportlichen oder musischen Begabung ein Tabuthema. Die Betroffenen schweigen, um nicht als anmassend wahrgenommen oder als andersartig stigmatisiert zu werden. «Hochbegabung ist in der Schweiz ein Tabu», stellt Elisabeth Zollinger dezidiert fest. Die Psychotherapeutin testet seit 16 Jahren Kinder auf Hochbegabung, die Ablehnung der Gesellschaft kann sie sich allerdings bis heute nicht erklären: «Man unterstellt solchen Menschen schnell, dass sie etwas Besseres sein wollen. Offenbar haben wir ein Problem damit, wenn jemand herausragt.» BZ «Hochbegabt und trotzdem schlechte Noten» von Lucie Machac Publiziert: 25.05.2018, 07:19

Elisabeth Zollinger: Tabuthema Hochbegabung und das Leid unterforderter Kinder. Schweizerisches Institut für Hochbegabung, 2017

s. a. swissinfo: «Zu intelligent, um verstanden zu werden»

FILM SRF mit Letizia Gauck 

Kurzfilm «TABU Thema Hochbegabung» mit Elisabeth Zollinger

Förderbedarf

Begabtenförderung

Informationen bzgl. Förderung begabter Kinder in der Schweiz finden Sie auf der Website der Stiftung für hochbegabte Kinder und auf der Website Netzwerk Begabungsförderung

Der Begriff Begabtenförderung umschreibt Massnahmen zur Förderung von Kindern und jungen Menschen mit überdurchschnittlichen Leistungspotenzialen, die über den normativen Regelunterricht hinausgehen. Dabei umfasst Begabtenförderung alle Bildungsdomänen; die schulischen kognitiven Fächer, aber auch Begabungsdomänen, die im schulischen Unterricht oft nur eine untergeordnete Rolle spielen (z. B. körperlich-sportliche, künstlerisch-gestaltende, musikalische, soziale Begabung) oder Interessengebiete, die ausserhalb der schulischen Lehrpläne liegen. Beispiele zur Begabtenförderung sind:

  • Compacting des Basislehrplans zur Straffung unnötiger Trainings- und Übungszeit,
  • Unterrichtsergänzendes Enrichment und Pull-out-Programme zur individuellen Förderung spezifischer Begabungen in individuellen Projekten,
  • Akzeleration als Überspringen von Lerneinheiten oder Zulassung zu höheren Leistungskursen, Klassen oder zur vorzeitigen Hochschulbelegung im Interessengebiet,
  • Mentoring als individuelle Förderung durch eine qualifizierte Fachperson,
  • ergänzende ausserschulischen Förderaktivitäten (Vereine, Angebote, Wettbewerbe, Camps u.Ä.).

Beratung durch Fachpersonen: Stiftung für hochbegabte Kinder jeweils Mittwochs, 9.00-12.00 und 13.30-16.30 unter 044 273 05 56.

https://www.hochbegabt.ch/anlaufstelle/

Eine sehr hilfreiche Umsetzungshilfe ist die Broschüre der Volksschulbildung Luzern «Begabte Kinder an unseren Volksschulen»

Akzeleration

Akzeleration: schneller durch das schulische System; es geschieht sehr viel seltener als Enrichment und ist nicht immer notwendig oder erwünscht, aber deutlich wirksamer. Die Forschung belegt seit Jahrzehnten, dass die Auswirkungen positiv sind, sowohl auf die intellektuelle als auch die emotional-soziale Entwicklung. Voraussetzung ist, dass es richtig vorbereitet und begleitet wird.

Dr. Päd. Annette Heinbokel http://www.ieua.de/ Heinbokel, Annette (2016). Eine Klasse überspringen – sonst wäre ich fipsig geworden, Münster, LIT Verlag

Die 20 wichtigsten Punkte «Warum sollten hochbegabte Kinder Klassen überspringen?» (Link gesamte Dossier)

  • Akzeleration ist die wirksamste Intervention im Lehrplan besonders begabter Kinder.
  • Für begabte Schüler zeigt Akzeleration eine langfristige positive Wirkung in akademischer wie sozialer Hinsicht.
  • Akzeleration gibt es praktisch zum Nulltarif.
  • Begabte Kinder sind in sozialer wie emotionaler Hinsicht gewöhnlich reifer als ihre Altersgenossen. Akzeleration bringt viele begabte Schüler mit Klassenkameraden zusammen, die auf Grund ihrer persönlichen Reife besser zusammenpassen.
  • Wenn begabten Schülern Unterricht geboten wird, der für ihre Altersgenossen entwickelt wurde, dann langweilen sie sich oft, werden unzufrieden und verlieren die Lust am Lernen.
  • Tests, vor allem Tests über dem Klassenniveau (die für ältere Schüler entwickelt wurden), sind ein äußerst wirksamer Weg, um die Schüler ausfindig zu machen, die von einer Akzeleration profitieren würden.
  • Es gibt das Beweismaterial und die Mechanismen, die Schulen bei guten Entscheidungen über Akzeleration helfen können, damit sie zu einer risikoarmen und erfolgreichen Intervention für qualifizierte Schüler wird. The Iowa Acceleration Scale (Iowa Akzelerationsskala) ist ein bewährtes, wirksames Instrument, das Schulen bei der Entscheidung zur jahrgangsbasieretn Akzeleration helfen kann.
  • Die 18 Arten von Akzeleration, die begabten Schülern zur Verfügung stehen, lassen sich in zwei Hauptkategorien gliedern: jahrgangsbasierte Akzeleration, nach der die Schüler ihre Schullaufbahn schneller durchlaufen, sowie fachbezogene Akzeleration, die fachliche Inhalte früher als gewöhnlich einführt.
  • Eine vorgezogene Einschulung ist in akademischer und sozialer Hinsicht eine ausgezeichnete Möglichkeit für bestimmte begabte Schüler. Hoch begabte Kleinkinder, die früh eingeschult werden, fügen sich im Allgemeinen gut in die ältere Klassengemeinschaft ein.
  • Begabte Schüler, die frühzeitig eine Unversität oder ein College besuchen, erleben sowohl kurzfristigen als auch langfristigen akademischen Erfolg, was zu langfristigem beruflichem Erfolg und persönlicher Zufriedenheit führt.
  • Es gibt viele Alternativen zum frühzeitigen Studium für Oberschüler, die lieber unter ihren Altersgenossen bleiben wollen. Dazu gehört der parallele Besuch von High School und College, Fernstudium sowie Ferienseminare. Advanced Placement (AP) ist die beste weiter reichende Möglichkeit für begabte Schüler, die bereits in der High School Kurse auf College-Niveau belegen wollen.
  • Nur sehr wenige Collegestudenten mit frühzeitigem Studium haben soziale oder emotionale Schwierigkeiten. Wenn sie denn auftreten, sind diese Schwierigkeiten gewöhnlich von kurzer Dauer und Teil des Eingewöhnungsprozesses.
  • Für hochbegabte Schüler ist eine weitreichende Akzeleration (von zwei oder mehr Jahren) akademisch und sozial wirkungsvoll.
  • Trotz umfangreicher Forschungsergebnisse, die den Erfolg und die Machbarkeit der Akzeleration belegen, stehen ihr viele Erzieher eher negativ gegenüber.
  • Um eine grundlegende Veränderung in der Auffassung von Bildungs-Akzeleration in Amerika zu erreichen, müssen wir sämtliche Motoren in Bewegung setzen: Gesetzgebung, Gerichte,Verwaltungsvorschriften sowie professionelle Maßnahmen.
  • Die wirksame Implementierung von schulverkürzenden Optionen für begabte Schüler mit Behinderungen ist zeit- und kostenaufwendig.
  • Es ist wichtig, dass Eltern voll in den Entscheidungsprozess über die Akzeleration ihres Kindes eingebunden werden.
  • Die wenigen Probleme, die im Zusammenhang mit Akzeleration aufgetreten sind, sind hauptsächlch auf unvollständige oder schlechte Planung zurückzuführen.
  • Bildungsgleichheit ist nicht dasselbe wie Unterschiedslosigkeit. Gleichheit respektiert individuelle Unterschiede bei der Lernbereitschaft und erkennt den Wert eines jeden Schülers an.
  • Die wichtigste Frage für Erzieher ist nicht ob ein begabter Schüler Akzeleration bekommen soll, sondern wie.

 

Enrichment

Schulisches Enrichment ist wichtig, um bei hochbegabten Kindern Langeweile, Unterforderung und Minderleistung zu verhindern. Enrichment kann eine Erweiterung des Schulstoffes sein, aber auch über den Lehrplan hinausgehen. Die Schüler/innen sollen sich mit einem Schulthema intensiv auseinandersetzen oder sich mit einem völlig neuen Thema vertieft befassen und sich dabei fachliches Wissen und neue Denk- und Lernmethoden aneignen können.

Mögliche Massnahmen von Seiten der Schule wären:

  • Vertiefung des Unterrichtsstoffes über das Curriculum hinaus
  • Fachunterricht in höheren Klassen
  • Begabtenwerkstätten
  • Schülerwettbewerbe
  • Individualisierter Unterricht

Einige Kantone bieten für besonders begabte Schüler Förderprogramme an, auf die hochbegabte Kinder einen Anspruch haben.

Ausserschulisches Enrichment wird meist privat von den Eltern entsprechend der Interessen des Kindes organisiert und finanziert. Dies kann im sportlichen, musischen, intellektuellen Bereich erfolgen, aber auch in speziell für Hochbegabte konzipierten Angeboten wie beispielsweise den Kursen der Kinderuni des EHK oder anderer Hochbegabteninstitutionen, wie auch mit Mentoraten.

 

Compacting

Begabte Kinder und Jugendliche arbeiten nicht zwangsläufig schneller als ihre Klassenkameraden; sie lernen aber schneller und brauchen oft weniger Einführungs- und Übungszeit als andere. Unter Curriculum Compacting versteht man die Straffung und Intensivierung des Basislehrplans nach individuellen Fähigkeiten. Dadurch soll die Wiederholung von bereits gelerntem Stoff vermieden werden. Wenn Lernende etwas schon beherrschen, kann die unnötige Übungszeit entweder zur ergänzenden Vertiefung des Themas oder für alternative Lerninhalte (persönliche Projekte, Enrichmentangebote, o.a.) eingesetzt werden. Compacting erhöht die individuelle Herausforderung innerhalb des regulären Unterrichts und vermeidet sogenannte «Warteräume» bis die Mitschüler und Mitschülerinnen die Klassenlernziele erreichen. Selbstorganisiertes Lernen mit Lernkontrollen, die zu unterschiedlichen Zeiten (ggf. auch mehrfach) durchgeführt werden können und Lernen mit Erweiterten Lernformen mit Teil-Kompetenznachweisen eignen sich didaktisch zur Lehrplanstraffung ebenso wie Vor- oder Zwischentests, in denen die Lernenden zeigen, dass sie einen Inhalt bereits beherrschen (s. Kap. 5).» aus Begabtenförderung Glossar 

 

Mentorate

Mentorate sind individuelle Fördermöglichkeiten für ein Kind. Sie helfen hochbegabten Kindern sich gezielt intensiv mit ihren Stärken auseinanderzusetzen. Ein Mentorat kann über die Schule organisiert werden oder privat. Ein Mentor muss nicht selber hochbegabt sein, aber er sollte die Neugierde an einem Thema erhalten und fördern können und die Freude am Lernen zu vermitteln. Viele hochbegabte Erwachsene engagieren sich proaktiv in der Begabtenförderung. z.B. in Vereinen und Fachgruppen.

Wie finde ich einen Mentor für mein Kind?

1) feststellen was das Kind interessiert
2) überlegen wer könnte da in Frage kommen
3) potenzielle Mentoren ansprechen. (Ob ein pensionierter Lehrer, eine ausländische Studentin oder ein Universitätsdozent, wenn die Chemie zwischen dem Mentor und dem Kind passt, dann kann ein Mentorat vieles auffangen. Ausserdem hilft Mentoring, wenn ein Kind in einem Drehtürmodell einen Teil der Fächer in der Schule bereits abgeschlossen hat und diese vertiefen möchte.)

s. dazu:
«Mentoring beschwingt. Grundlagen und Ideen zur Umsetzung in der Begabtenförderung»
1. Auflage 2019, Zürich
Hrsg. Stiftung für hochbegabte Kinder
ISBN 978-3-033-07463-7

Misfit / Anpassung

Misfit-Situation laut Remo Largo

Wenn wir es nicht schaffen, in Übereinstimmung mit der Umwelt zu leben, sind wir in eine Misfit-Situation geraten. Wir sind in unserem körperlichen und psychischen Wohlbefinden beeinträchtigt und können ernsthaft erkranken, an psychosomatischen Symptomen wie Kopf- und Bauchschmerzen leiden, depressiv werden oder gar in ein Burn-out fallen.

Ob wir ein passendes Leben führen können oder in eine Misfit-Situation geraten, hängt auch von den Lebensumständen ab. So können gesellschaftliche und wirtschaftliche Gegebenheiten ein passendes Leben ermöglichen oder verhindern. Heutzutage können viele Menschen ihre Grundbedürfnisse unterschiedlich gut befriedigen:

  • Körperliche Integrität: Ernährung und Gesundheitsversorgung sind für die allermeisten Menschen gewährleistet.
  • Emotionale Sicherheit: Geborgenheit ist immer häufiger vor allem für Kinder und alte Menschen immer weniger sichergestellt. Ihnen fehlt die Gemeinschaft vertrauter Menschen, denn nur sie kann Geborgenheit vermitteln.
  • Soziale Anerkennung, sozialer Status: Immer mehr Menschen erhalten nicht mehr die soziale Anerkennung, die sie benötigen und fühlen sich in der Gesellschaft randständig.
  • Selbstentfaltung: Kinder und Erwachsene können ihre Fähigkeiten immer weniger entfalten. In der Schule werden diejenigen Fähigkeiten gefördert, die von der Wirtschaft verlangt werden. Die Wirtschaft besteht aus 75 % Dienstleistung. Was ist mit all den Menschen, die sich körperlich und handwerklich betätigen möchten?
  • Befriedigung durch Leistung: Immer weniger Menschen können die Leistungen erbringen, die sie eigentlich möchten. Sie führen fremdbestimmt Aufträge aus, die der Arbeitgeber von ihnen verlangt. Sie arbeiten für ihren Lebensunterhalt, den Sinn ihrer Tätigkeit sehen oftmals nicht mehr ein.
  • Existenzielle Sicherheit: Ist nicht für alle Menschen gewährleistet, insbesondere im Alter.

Die Befriedigung der Grundbedürfnisse ist genauso ein Menschenrecht wie Freiheit und Gerechtigkeit.

In der Gesellschaft und Wirtschaft herrscht immer noch die Meinung vor, wir wären alle gleich, alle Menschen müssten alles können, was – wie wir alle wissen – nicht stimmt.

Mehr Information «Misfit-Theorie» von Remo Largo

 

«Wer sich als „Normalbegabter“ mit diesem Thema auseinandersetzen möchte, muss bereit sein, sich auf eine Andersartigkeit einzulassen. HBs denken nämlich nicht einfach mehr und schneller, sondern vor allem anders. D. h. ihre zerebrale Festplatte hat nicht einfach einen größeren Arbeitsspeicher und einen schnelleren Prozessor, sondern ein grundlegend anderes Betriebs-system. Deshalb gibt es eine Art kulturelle Kluftzwischen HBs und NBs, deren Überwindung aber für beide ein Gewinn sein kann. (…) Wie auch immer diese geistige Überaktivität entsteht, sie führt vor allem dazu, dass Hochbegabte zu divergentem Denken neigen, d. h. sie integrieren in einen Denkprozess schnell vielfältige und komplexe Überlegungen, ziehen schnell Vergleiche heran oder übertragen einmal erkannte Lösungs-muster schnell auf andere Probleme. Was zunächst wie ein Vorteil aussieht, kann bei der Lösung ein-facher Probleme hinderlich sein.» Zitat aus Dreimal hoch Text von Dr. Gertrud Wolf

 

Unterforderung

«Wenn Anlagen und Entfaltungsdrang des Kindes und die Möglichkeiten der Menschen in seiner Umgebung zu sehr voneinander abweichen, wenig zueinander passen, können zweigrundlegende menschliche Bedürfnisse, Sichentfaltenwollen und Dazugehörenwollen, in dem Kind in einen schwerwiegenden Konflikt miteinander geraten und seine Entwicklung erheblich stören.(…) Eine unflexible Umgebung geht auf unerwartete Signale nicht ein, so dass es für das hoch begabte Kind zu einem irritierenden Mangel an Antwort kommen kann, zu einer »Verweigerung der Teilung mentaler Zustände«, die lang dauernd nachhaltige Beeinträchtigungen hervorrufen kann. Eine solche Verweigerung der Teilung mentaler Zustände bedeutet eine Verweigerung der Zugehörigkeit, eine Ausgrenzung, und spielt für das Entstehen von Entwicklungsschwierigkeiten hoch begabter Kinder eine wesentliche Rolle. (…) Sie entwickeln Symptome, die auf die innere Not hinweisen und typisch sind für anhaltende Fehlforderungen.» aus BMBF

«Hochbegabte Kinder brauchen intellektuelle Herausforderungen und müssen auf ihrem Lernweg in ihrem Tempo voranschreiten können, damit es ihnen gut geht. Wenn sie unterfordert sind, kann das zu einem Verlust ihres Selbstvertrauens, zu übermässiger Anpassung, einer Konzentrationsabnahme, Flüchtigkeitsfehlern, Verhaltensauffälligkeiten (Depressionen oder aggressives Verhalten) sowie zu psychosomatischen Symptomen führen. Ihre Unterforderung erzeugt Stresssymptome und ihr Wohlbefinden leidet.» Kathrin Berweger

Interview mit Letizia Gauck https://tageswoche.ch/allgemein/unterforderung-ist-schwer-zu-ertragen/
Film SRF «Jedes fünfte Schulkind ist unterfordert» 

Unterforderung in der Schule

In der Schule sind hochbegabte Kinder oft unterfordert, das führt zu einer unbefriedigenden Schulsituation. Der EHK sieht folgende Handlungsfelder zur Verbesserung der Schulsituation für hochbegabte Kinder:

Unterricht

  • Massnahmen zur inneren und äusseren Differenzierung bei Unterforderung
  • Individualisierungsmassnahmen im Rahmen des pädagogischen Freiraumes
  • Anspruchsvolle Aufgaben im Rahmen von Projektarbeiten
  • Anreicherung des Unterrichts mit nichtcurricularen Themen (Enrichment)
  • Akzelerationsmassnahmen, wie die Möglichkeit zur Teilnahme am Unterricht in höheren Klassen, bei nachweisbarem Spezialwissen, das die altersüblichen Normen übersteigt.
  • Gewährung von interessenabhängiger Eigentätigkeit (selbstbestimmtes Lernen)

Rahmenbedingungen in den Schulen

  • Schaffung von Arbeits- und Interessengemeinschaften, die intellektuell besonders befähigten Kindern in ihren Interessensgebieten entgegenkommen (als Ergänzung des vorhandenen Angebotes an musischen, sportlichen und kreativ-technischen Aktivitäten) Nutzung von Förderstunden auch für Hochbegabtenförderung
  • Zusätzliche LehrerInnenstunden zur individuellen Förderung durch besonders ausgebildete Lehrkräfte

Aus- und Fortbildung

  • Aufnahme der Hochbegabtenpädagogik in die Ausbildungspläne der LehrerInnenausblidung sowie ein verbindliches & systematisches Fortbildungsangebot für LehrerInnen aller Schularten
  • Aufnahme der Hochbegabtenthematik (Identifikation und Beratung) in die Ausbildungspläne von SchulpsychologInnen, InspektorInnen, KinderärztInnen, DiplompsychologInnen und ErziehungsberaterInnen


Minderleister

Bei schlechten Schulleistungen lohnt es sich, immer genau hinzuschauen. Er härtet sich der Verdacht auf Minderleistung, ist eine differenzierte psychologische Abklärung nötig. Auch wenn von einer kleinen Anzahl von intellektuell hochbegabten Minderleistern oder Minderleisterinnen ausgegangen werden kann, ist es bedenklich, wenn diese ihr intellektuelles Potential nicht umsetzen können.

Im Unterricht auf allen Stufen soll vor allem auf die Prävention gesetzt werden. «Guter Unterricht ist durch ein hohes Mass an Individualisierung gekennzeichnet und kann damit der Entwicklung und Verfestigung von «Underachievement» vorbeugen; und guter Unterricht ist – begleitet von individualisierenden pädagogisch-psychologischen Massnahmen – ebenfalls ein guter Ansatz, «Underachievern» – wie auch allen andern Schülerinnen und Schülern– zu helfen, sie in ihrem Lernweg nach Kräften zu unterstützen und zu fördern.» (Rost und Sparfeld 2007 S. 79) Text aus «Fachschrift zur Begabungsförderung» VSB Luzern.

 
Hohe Empfindlichkeit / Hochsensibilität

«Beobachtungen, die auf eine Hochsensibilität hindeuten könnten, sind folgende: Ihr Kind ist in Bezug auf laute Geräusche empfindlich, zurückhaltend und scheu bei unbekannten Menschen. Änderungen im Tagesablauf sind für das Kind schwierig. Es könnte hochsensibel sein. 15 bis 20 Prozent aller Kinder sind auf diese besondere Art empfindsam. Oft sind besonders die klugen und kreativen Kinder betroffen (Eliane N. Aron). Die Hochsensibilität erfasst man über einen Fragebogen. Generell wird die Hochsensibilität kontrovers diskutiert. Die Standpunkte reichen von «wissenschaftlich nicht erwiesen» bis zu einem klaren Bejahen von all den Beobachtungen, die in der Literatur diskutiert werden.

Bei Hochsensibilität ist es wichtig, ein Augenmerk darauf zu richten, Überreizung zu vermeiden, damit das Kind zur Ruhe kommen kann. Pausen und Erholung sind wichtig, damit das Kind sein Potenzial entwickeln kann.

Überreizungen können z.B. so vermieden werden:

  • „Weniger ist mehr“, den Alltag anpassen
  • Akustisch: zu Hause möglichst keine weiteren „Lärmquellen“ wie Musik schaffen. Akustische Reize reduzieren, z.B. wenig Lärmquellen (Musik, Staubsauger usw.), die Möglichkeit geben, sich zurückziehen zu können; Lärm mit Ohrenschutz wie Pamir oder Ohrenstöpsel reduzieren
  • Visuell: wenig optische Reize, z.B. mit geschlossenen Gestellen und Schränken
  • Geschmack, Geruch: mit wenig Gewürzen kochen, sichere „Werte“ einplanen, einer Unterzuckerung vorbeugen
  • Taktil: auf feine Stoffe achten (In der Regel sind Naturmaterialien besser, z.B. feine Baumwolle, Bambusfaser, Seide.) Schildchen und Knöpfe entfernen, evtl. umgekehrt tragen lassen

Gleichzeitig fallen hochbegabte Kinder unter anderem durch ihr hohes Denktempo, die Verarbeitungsgeschwindigkeit, die komplexe Art zu denken, ihre Neugierde und ihren Wissensdurst auf. Diese Kinder lieben es, etwas Neues zu lernen. Sie brauchen intellektuelle Herausforderungen und müssen auf ihrem Lernweg in ihrem Tempo voranschreiten können, damit es ihnen gut geht.Wenn sie unterfordert sind, kann das zu einem Verlust ihres Selbstvertrauens, zu übermässiger Anpassung, einer Konzentrationsabnahme, Flüchtigkeitsfehlern, Verhaltensauffälligkeiten (Depressionen oder aggressives Verhalten) sowie zu psychosomatischen Symptomen führen. Ihre Unterforderung erzeugt Stresssymptome und ihr Wohlbefinden leidet.» Text von Kathrin Berweger Kostenloses E-Book «E-Book Hochsensibilität, sensible Kinder besser verstehen und begleiten mit Kinder- und Elternfragebogen» 

 

Overexcitability

For many gifted individuals it is their emotional overexcitabilities that are the source of their greatest vulnerabilities. The discovery that these vulnerabilities are also the birthplace of their ability to use their gifts in creative and innovative ways serves as a wakeup call to reassess our perceptions on these overexcitabilities and how we address them in our young gifted.

(Für viele Hochbegabte sind ihre emotionalen Übererregbarkeiten die Quelle ihrer größten Verwundbarkeit. Die Entdeckung, dass diese Schwachstellen auch die Geburtsstätte ihrer Fähigkeit sind, ihre Gaben auf kreative und innovative Weise zu nutzen, dient als Weckruf, um unsere Wahrnehmung dieser Übererregbarkeiten und den Umgang mit ihnen bei unseren jungen Begabten zu überdenken.)

https://www.sengifted.org

 

Kurzfilm 1 «Hochsensibilität»

 

Kurzfilm 2 «Hochsensibilität»

 

Kurzfilm 3 «Hochsensibilität» Dina Mazzotti